Zurzeit wird durch den Verein Kulturraum Viamala wieder eine Brücke im Val Traversina, das heisst am Weg zwischen der Viamalaschlucht und Carschenna, aufgebaut. Das bietet uns die Gelegenheit zu einer Rückschau auf die Wegbauten in diesem Gelände.
Es ist heute unbestritten, dass von der Zeit der Römer bis etwa 1200 der nördliche Zugang zur Viamala folgende Wegroute hatte: Sils – Carschenna – Val Traversina – Rheinbrücke. Von diesem Weg sind heute nur zwei Zeugen bekannt: Die «römischen» Schrammspuren am Weg nach Carschenna und die Kapelle St. Albin auf Carschenna, die 1156 in einem päpstlichen Schreiben erstmals schriftlich erwähnt wird. Der damalige Rheinübergang war wohl eine kurze Distanz südlich der heutigen Rheinbrücke.
Dort trennen nur wenige Meter die rechte und die linke Schluchtwand. Die Wegspuren auf der linken Rheinseite bis hinein zur ersten «Galerie» (von der 1. Viamalabrücke aus zu sehen) sind alle durch natürliche Felsabbrüche oder durch spätere Strassenbauten zerstört worden.
Die erste schriftliche Erwähnung findet das Wegstück Viamala–Carschenna in einem Dokument des Chronisten Ägidius Tschudi (Codex 629 Stiftsbibliothek St. Gallen). Tschudi berichtet, dass Graf Rudolf von Sargans im Jahre 1428 eine Brücke über den Rhein «da man vsß Schams gat» und den Weg vom Nesselboden nach St. Albin auf Carschenna baute.
Am 3. September 1665 erschienen vor «Landtaman Rath und Ganze Landschaft Schambs (…) die hoch wolgeachte woll Edle Ehrenveste fürsichtige Fürnemme und weisse hren: hren. Comissario Johan Trawess, Vicario Ruwinel Jecklin, Landvogt Ambrossi Tscharner, Ama Luzi Cawiezel, alß gewalts haber der beiden Ehrsammen Gemeinden Fürstenauw und Orttenstein, so ihn die lenge vorgebracht haben waß gstalten sye alhier in der Landtschafft etliche Alpen haben, oder Zuo ihren privatten gebruch hoch von nöten ein neuwe straß ihn Consideration das die straß durch Tussis sehr verschreÿt wegen deß Nollens und unmüglich Zuverreissen, Begerende einstendigklich man solle gedachten beiden Ehrsammen Gemeinden erlauben und Zuo geben ein Neüwe stras auff unsseren Juridiction diß und enthalb deß Reinß gegen Carshenna Zuo machen.» (Urkunde Nr. 17 vom 3. Sept. 1665 im GA Zillis).
Nachdem die Schamser «gnugsamlich verstanden, haben wir auß Nachpurliche liebe und affection begerter massen den weg Zuo machen erlaubt». Über das direkt folgende Geschehen fehlen die Akten, es kann nur aus späteren Protokollen der Häupter und des Bundestags geschlossen werden. Die Schamser wurden aus dem Oberen Bund ausgeschlossen. Interesse an dieser Massnahme hatten vor allem die Leute aus Thusis und der Zollinhaber in Reichenau, denn der Ausbau des Traversinaweges ermöglichte die Saumroute Domat/Ems, Vogelsang, Sils, Carschenna, Viamala. Der Zoll in Reichenau würde den Transitverkehr über Splügenpass und San Bernardino verlieren, die Port Thusis könnte davon keine Fürleite einnehmen, müsste aber trotzdem den Viamalaweg bis nach St. Ambriesch unterhalten.
Vikar Ruinell Jecklin von Hohenrealta (1617–1667), Landvogt Battaglia von Fürstenau und Ammann Ulrich Buol beschweren sich bei den Häuptern über dieses Urteil und protestieren gegen die Exekution desselben und erklären, sie seien entschlossen, den Vollzug des Urteils zu verhindern und, falls er mit Gewalt durchgesetzt werden sollte, würden sie ebenfalls mit Gewalt zurückschlagen, «dan sie ein befreytes Hochgericht und lassind ihnen ihre Hoch- und Freyheiten nicht nemmen noch entziehen». Die Häupter finden dies sehr gefährlich und befürchten ein «allgemeines Unheil» daraus. Unter Häupter versteht man die Konferenz des Landrichters des Oberen Bundes, des Bundespräsidenten des Gotteshausbundes und des Bundeslandammanns des Zehngerichtenbundes.
Am 23. Juni 1666 eröffnet Landrichter Johann von Castelberg den Bundestag in Ilanz und bemerkt zu Beginn der Versammlung, dass die Ratsboten aus Schams anwesend seien, obwohl sie aus dem Bund ausgeschlossen seien.
Sein Bund «werde noch wolle nebet und mit denselben sitzen». Darauf verlassen sämtliche Ratsboten des Oberen Bundes den Saal.
Nach verschiedenen Schlichtungsversuchen tagte man weiter und die Schamser wurden auch wieder in den Oberen Bund aufgenommen. Dass die Brücke über den Rhein und der Weg nach Carschenna nach 1666 auch gebaut wurden, bestätigt ein Kaufvertrag vom 14. März 1692, in welchem die Gemeinde Schams einem Privaten rechtsseitig und nördlich der Viamalaschlucht Wald verkauft.
Als Grenzbeschrieb heisst es darin: «nammlichen von der Newen Brukh, in via Mala, so über den Reihn gehet, dem Weg nach, so die Tomleschger gemacht, hinaus biß an das erste grosse Tobell, Trauersina genannt, (…) »
Die am 16. März 1999 zerstörte und die heute sich im Aufbau befindende Traversina-Brücke überquer(t)en das Val Traversina in grosser Höhe. Die alten Wege führten aber direkt über den Bach. Ehemalige Felsbearbeitungen für den Zugang auf der südlichen Seite belegen diesen Sachverhalt.
Thomas Riedi
Mitglied des Ausschusses Kulturraum Viamala